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Assistenzhunde in der Apotheke: Herzlich willkommen!

Informationen zum Zutrittsrecht für Menschen in Begleitung von Assistenzhunden nach § 12e Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) – mit der Bitte um Beachtung.

Eine Frau mit Assistenzhund geht auf den Eingang einer Apotheke zu
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Assistenzhunde sind ausgebildete Hunde, die Menschen mit Behinderungen oder Erkrankungen begleiten und ihnen insbesondere das Bewegen im öffentlichen Raum erleichtern. Nicht immer sind diese Einschränkungen offensichtlich. Viele Menschen halten Hunde bekanntermaßen auch aus purer Freude. Ob es sich um einen Assistenzhund handelt, ist daher nicht immer sofort zu erkennen.

Problematisch kann insofern das Betreten von Menschen in Begleitung eines Assistenzhundes in einer Apotheke sein, wenn dies unter hygienischen Gesichtspunkten (immerhin gilt auch § 4 Abs. 1 Nummer 4 ApBetrO) als bedenklich angesehen werden könnte.

Bislang waren uns – der ABDA in Berlin und uns in Nordrhein – keine Sachverhalte bekannt geworden, in denen es zu Problemen gekommen ist, weil Menschen in Begleitung eines Assistenzhundes der Zutritt zu einer Apotheke verwehrt worden ist. Wegen eines Berichts der BILD-Zeitung (Link), der später auch von Apotheke Adhoc aufgegriffen wurde (Link), weisen ABDA und wir auf ein Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums vom 17.06.2024 hin.

Wir nehmen das Schreiben des BMG zum Anlass, darüber zu informieren, dass die Mitnahme von Assistenzhunden in der Apotheke grundsätzlich nicht verweigert werden kann. Eine spezifische Regelung, die auch etwaigen Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung als höherrangige Regelung vorgeht, findet sich hier in § 12e Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), vgl. hier. Der Anspruch nach § 12e BGG gilt nur, wenn die Voraussetzungen des § 12e Abs. 3 BGG erfüllt sind. Assistenzhunde sind zudem nach § 26 Assistenzhundeverordnung mit dem Symbol zu kennzeichnen. Bis zum 31.12.2024 reicht allerdings auch ein anderes Kennzeichnungszeichen, das zum Ausdruck bringt, dass es sich bei dem Hund um einen Assistenzhund handelt, § 26 Abs. 3 AssistenhundeV. Die bloße Bezeichnung als Assissenzhund durch den potentiellen Kunden der Apotheke ist insofern nicht ausreichend.

Nach § 12e Abs. 1 BGG dürfen u.a. Eigentümer, Besitzer und Betreiber von Einrichtungen Menschen mit Behinderungen in Begleitung durch ihren Assistenzhund den Zutritt zu ihren typischerweise für den allgemeinen Publikums- und Benutzungsverkehr zugänglichen Anlagen und Einrichtungen nicht wegen der Begleitung durch ihren Assistenzhund verweigern, soweit nicht der Zutritt mit Assistenzhund eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen würde. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass allgemeine hygienische Bedenken in der Regel keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen dürfte. In der Fachliteratur wird zu der Einschränkung des Zugangsrechts wie folgt ausgeführt:

„Begrenzt wird die Duldungspflicht nach § 12e Abs. 1 dadurch, dass der Verpflichtete durch den Zutritt mit dem Assistenzhund oder Blindenführhund nicht unverhältnismäßig oder unbillig belastet werden darf. Die Beweislast hierfür liegt beim Verpflichteten. So könnte eine unverhältnismäßige Belastung von Betreibern medizinischer Einrichtungen vorliegen, wenn beispielsweise hygienische Gründe die Begleitung durch Assistenzhunde oder Blindenführhunde ausschließen, weil dadurch Infektions- und Gesundheitsgefahren für andere, teilweise gesundheitlich vorbelastete Menschen entstehen. Die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) hat in ihren Präzisierungen zur Krankenhaushygiene klargestellt, dass eine Übertragung von Krankheitserregern vom Hund auf den Menschen zwar theoretisch möglich, bei haushaltsüblicher Hygiene aber sehr unwahrscheinlich sei (Empfehlungen der KRINKO 2000, 2010). Auch die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene schließt die Mitnahme von Hunden in Krankenhäuser und vergleichbare Einrichtungen nicht prinzipiell aus (Mitteilung des Vorstands der Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene, Hyg Med 2017, 42–10). Bereiche, die Menschen in Straßenkleidung offenstehen, wie Arztpraxen, Therapieräume, offene Pflege- und Krankenstationen, Ambulanzen und Cafeteria, können daher auch Menschen mit Assistenzhunden grundsätzlich betreten. Ausgeschlossen davon sind offensichtlich ungepflegte oder ungesunde Assistenz- oder Blindenführhunde oder der Zutritt zu Risikobereichen wie Intensivstationen und Isolierstationen. Allgemein sind auch gesundheitliche Probleme Dritter wie Hundeallergien und Hundephobien zu berücksichtigen. Diesen wird man jedoch zumeist durch mildere Mittel als durch Zutrittsverbote abhelfen können. So wäre es denkbar, Menschen mit Assistenz- oder Blindenführhunden und Hundeallergiker oder -phobiker räumlich oder zeitlich voneinander zu trennen.

Auch beim Zutritt zu Lebensmittelgeschäften und Gastronomieeinrichtungen wird eine unverhältnismäßige Belastung aus hygienischen Gründen regelmäßig nicht in Betracht kommen. Zwar haben Lebensmittelunternehmer nach Anhang II, Kapitel IX Nr. 4 Lebensmittelhygiene-VO (Verordnung (EG) 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene), geeignete Verfahren vorzusehen, um zu vermeiden, dass Haustiere Zugang zu Räumen haben, in denen Lebensmittel zubereitet, behandelt oder gelagert werden. Die Regelung sieht aber vor, dass die zuständige Behörde in Sonderfällen den Zugang gestatten kann. In diesen Fällen ist nur sicherzustellen, dass ein solcher Zugang nicht zu einer Kontamination führt.

Eine unverhältnismäßige Belastung kann auch dann vorliegen, wenn die Begleitung durch einen Assistenzhund oder Blindenführhund zunächst organisatorische Maßnahmen erfordert, die nur mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf zu erfüllen sind. In Betracht käme dies beispielsweise bei Transportmitteln, in Theatern oder sonstigen Veranstaltungseinrichtungen, wenn der Assistenzhund oder Blindenführhund nicht vor, unter oder neben jedem beliebigen Sitzplatz sitzen oder liegen kann. In diesen Fällen wäre es möglich, eine Anmeldung des Assistenzhundes oder Blindenführhundes zu verlangen. Denkbar wäre ein Anmeldeerfordernis auch, wenn gesundheitliche Probleme anderer Besucher oder Nutzer, die etwa durch Hundeallergien oder -phobien entstehen, anders nicht ausgeschlossen werden können, zum Beispiel bei festen Sitzplätzen im Flugzeug.

Eine unbillige Belastung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn dem Verpflichteten aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse unzumutbare nicht unerhebliche Kosten entstehen oder unzumutbare nicht unerhebliche Einnahmen entgehen, die der Hundehalter oder die Hundehalterin nicht zu tragen bereit sind.“

(Ritz, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IV mit BGG, 5. Aufl. 2023, § 12e BGG, Rdnr. 7-10).

Ein Mann streichelt einen braunen Labrador auf einem Erdhügel. Im Hintergrund ist unscharf ein Industrie-Komplex zu sehen.
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Thorsten Habel leidet an Anaphylaxie. Dass er auf Assistenzhündin Hanni angewiesen ist, ist nicht sofort zu erkennen. Deshalb leistet er im Internet Aufklärungsarbeit (siehe Link auf der rechten Seite).

Es wird letztendlich insofern auf die Umstände des Einzelfalls ankommen, ob einem Menschen in Begleitung seines Assistenzhundes ausnahmsweise der Zugang zur Apotheke verwehrt darf. Als Gründe können etwa Gefahren durch ein aggressives Verhaltens des Hundes, seinen ungepflegten Zustand oder ähnliche Aspekte sein, die aber konkret festgestellt werden sollten, um etwaigen rechtlichen Auseinandersetzungen sachgerechte begegnen zu können.

Generell gilt, dass auch bei einem im Einzelfall berechtigen Verweigern des Zutritts eines Assistenzhundes Sorge dafür getragen werden sollte, dass die Arzneimittelversorgung der betroffenen Personen sichergestellt wird. Dies kann u.U. durch das Angebot einer Botenzustellung, die Arzneimittelabgabe durch die Notdienstklappe oder andere geeignete Mittel umgesetzt werden.

Die unberechtigte Verweigerung des Zutritts des Assistenzhundes zur Apotheke ist nicht zwingend mit entsprechenden Schadensersatzansprüchen verbunden. Eine Benachteiligung im Sinne des 7 BGG liegt nicht vor, da die öffentliche Apotheke nicht Trägerin öffentlicher Gewalt ist. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass § 12e BGG als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB auszulegen ist und daraus entsprechende Ansprüche konstruiert werden. Konkrete Rechtsprechung zu dieser Fallgestaltung ist uns allerdings nicht bekannt. Das Verbandsklagerecht nach § 15 BGG ist bei einer geltend gemachten Verletzungen des § 12e BGG durch den Betriebserlaubnisinhaber einer öffentlichen Apotheke oder sein Personal tatbestandlich ausgeschlossen, vgl. § 15 Abs. 1 BGG.

Diese Informationen stammen aus einer E-Mail der ABDA an die AKNR vom 24. Juli 2024.